„Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Österreich entgegenwirken“
Sowohl Antisemitismus als auch Islamfeindlichkeit nehmen in Österreich zu, aber in der öffentlichen Debatte und auch innerkirchlich wird dieser höchst problematische Entwicklung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und entgegengewirkt. Das stellte Prof. Martin Jäggle, Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, bei der Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung Österreichs (KMBÖ) in St. Pölten fest. Thema seines Vortrags war, welche Herausforderungen sich in Österreich nach dem Massaker der Hamas in Israel und den Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Konflikt seither stellen.
Der Nahostkonflikt sei ein politischer Konflikt, der „religionisiert“, religiös überhöht werde, unterstrich Jäggle. Für den politischen Konflikt habe er keine Lösung parat, so wie viele andere auch nicht, und was Kritik an der israelischen Regierung betrifft, sei „nicht mehr dazu zu sagen, als was in Israel selbst dazu gesagt wird“.
Als Theologe, der sich seit Jahren im Dialog und in der Zusammenarbeit mit Juden und Muslimen engagiert, forderte Jäggle mehr Konsequenz und Einsatz gegen antisemitische und antiislamische Vorurteile und Klischees hierzulande. Er verwies auf den europäischen Muslimisch-Jüdischen Rat (MJLC), dem von österreichischer Seite der Wiener Rabbiner Schlomo Hofmeister und der Imam Tarafa Bagajati angehören. Dieser Rat habe noch im Oktober 2023 erklärt, „ein Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf uns alle“. Sowohl der Islam als auch das Judentum würden Gewalt und Terrorismus verabscheuen. Die Tötung von Zivilisten, Entführungen und andere Gewaltakte würden nicht geduldet. Dialog, Zusammenarbeit und Solidarität zwischen muslimischen und jüdischen Gemeinschaften in Europa müssten weitergeführt werden.
Der Rat kritisierte ebenfalls die religiöse Rechtfertigung des Konflikts. Jäggle wies darauf hin, dass beide Seiten ihre Gebietsansprüche durch den Verweis auf „göttliche Versprechen“ für ihr Volk untermauern. So nutzt die israelische Rechte die biblischen Begriffe „Judäa und Samaria“ für das Westjordanland, die Hamas beschreibt das historische Palästina als „Waqf“, als eine den Muslimen von Gott treuhändisch anvertraute und damit unveräußerliche Stiftung. Ziel der Hamas sei die Auslöschung Israels, sie habe daher für ihr Vorgehen keinen unmittelbaren Anlass gebraucht.
Jäggle bedauerte, dass Initiativen wie der muslimisch-jüdische Rat zu wenig wahrgenommen würden, ebenso andere Aktionen wie etwa eine gemeinsame Fahrt von jüdischen und muslimischen Jugendlichen sowie von Rabbinern und Imamen nach Ausschwitz. „Glauben sie nicht denen, die dämonisieren!“, so der Appell des Wiener Theologen.
Jesus nicht gegen jüdische Wurzeln abgrenzen
Im Blick auf den Antisemitismus in Österreich ist laut Jäggle bezeichnend, dass jüdische Eltern ihre Kinder kaum noch in öffentliche Schulen schicken aus Angst um deren Sicherheit. Generell gebe es in noch vielen Bereichen Elemente einer antijüdischen Kultur, auch in der Kirche. Als ein Beispiel nannte er Aussagen, die Jesus und das Neue Testament von ihren jüdischen Wurzeln abzugrenzen versuchen, so als würden sie das Judentum „überbieten“. Eine judentumsensible Theologie spreche nicht mehr vom „Urchristentum“, sondern von „Frühjudentum und beginnendem Christentum“.
(jp/20.7.2025)